2010|05 JOSEF BAUER ( 1934 – 2022 ) – und josef bauer – expo in progress

josef bauer taktile poesie 1965-1974, neue galerie am landesmuseum joanneum graz 1974, ausstellung und katalog: prof.ddr. wilfried skreiner, druck: grazer druckerei, bienengasse 29

dieses seltene exemplar ist von JB und EG signiert und wird von der galerie wuensch aircube angeboten

eugen gomringer

die konkrete welt von josef bauer

der begriff „konkret“, wie er zuerst für die malerei von den künstlern der de stijl-gruppe bis zu den zürcher konkreten geschaffen, später von der konkreten poesie adaptiert und weltweit verarbeitet wurde, mag durch die jüngeren entwicklungen, welche das unterwegssein mehr betonenals das zielund entsprechend ihre darstellungen offen halten, etwas in den hintergrund und in die klassizität gedrängt worden sein. so wie jedoch bei jeder ablösung, bewußt oder unbewußt, ein teil des anscheinend überwundenen gedankenpotentials mitgeführt wird, läßt sich, auch heute, in mancher andersgerichteten manifestation, praktisch so etwas wie die verwirklichung früherer ansätze mit anderen mitteln erkennen. zum beispiel: die forderung nach mehr assoziationsfähigkeit und die provokation des do-it-yourself gehören zu den grundsteinen der konkreten poesie, was durch die zunehmende eingliederung ihrer anregungen in die sprachdidaktik belegt wird. forderungen dieser art werden aber auch in mannigfacher weise von jüngsten herstellern bewußtseinsverändernder situationen und sachverhalte erhoben.

EUGEN GOMRINGER

The Concrete World of JOSEF BAUER

„Concrete“, as a concept in painting, as it was first created by the Artists of the stijl-group up to the Zürcher „concretes“, was later adapted by concrete poetry and used world wide. But the latest developments, which emphasize „being on the way“ (transit) more than the destination, thus leaving open their presentations, have pressed the concrete a little into the background, into the classic. still with each detachment a part of the seemingly outmoded thoughtpotential is carried along, consciously or unconsciously; one can thus perceive in various different strains of manifestations a sort of realization of former beginnings with the use of new means. For example: the demand for more association-ability and the provocation of the „do-it-yourself“ belong to the foundations of concrete Poetry. this is verified by the increasing incorporation of such stimulations into language didacts. Demands such as These are also brought up in manifold ways by the latest creators of conscious-alterating situations and factual circumstances.


JOSEF BAUER – ECKEN A – 108,5x145x17,5cm – Holz/Acryl – 1976 – collection EUGEN GOMRINGER – foto|gwa

aircube project poster

solche feststellungen über auswirkungen vorangegangenen schaffens dürfen jedoch keineswegs als herabsetzung neuer leistungen verstanden werden. denn sicherlich ist eine noch so minimale innovation, ein neues konzept, eine neue verdichtung, eine neue öffnung, eine geringe änderung des blickwinkels, wichtiger als das bewahrende.

These statements about the effects of preceding creations should by no means be understood as a disparagement of later achievments. Any innovation – however small, any new concept, new consolidation, new opening, or even a minute change of viewpoint is surely more important than preservation of the old.

JOSEF BAUER – Farbraum – foto|gwa


im fall der manifestationen von josef bauer drängt sich der begriff „konkret“ erneut auf, und zwar im sinne einer echten weiterführung der in der konkreten poesie vertretenen auffassung. es drängt sich aber nicht für einzelne werke dieser begriff auf, sondern insgesamt möchte man von einer konkreten welt sprechen, an der josef bauer arbeitet. daß damit ein literarischer aspekt auf einen bildenden künstler, plastiker, land-art-künstler, aktions-mann übertragen wird, ist kein stilbruch und keine unerlaubte transposition zwischen zwei sich artfremden bereichen.

In the manifestations of Josef Bauer the concept of the „concrete“ is brought forth anew in true continuation of the representative interpretation of concrete poetry. But this concept does not stand for any single works of Josef Bauer; it gives far more the impression of  standing collectively for a concrete world on which he is working. That a literary aspect is herewith transmitted upon a visual artist, sculptor, land-artist and actionist, is neither a breach of style, nor an illicit transition between two alien fields.

JOSEF BAUER – Kopf – foto|gwa


zur rechtfertigung der konkreten poesie, wenn man sie auch im fall bauers als ahnherrin sieht, muß gesagt werden, daß in den ersten schilderungen und begründungen der konkreten poesie, diese sich weit mehr als gestaltungsmöglichkeit unter anderen, denn als neuen literarischen weg verstand. die konkrete poesie selbst, strebte schon früh weg von papier und buch, um sich immer mehr im bereich der realobjekte anzusiedeln. 

In justification of concrete poetry it must be said, – if in Bauers case we see it as his ancestor, – that the first descriptions and creations of concrete poetry were meant to be understood more as a formal creational potentiality rather than a completely new literary trend. Concrete poetry soon strove away from paper and book to settle more and more in the field of real-objects.


wie es bauer überzeugend gelingt, die lettristische seite der konkreten poesie für sich zu gewinnen und eine wandlung eines bekannten phänomens herbeizuführen, kann an der monumentalisierung einzelner buchstaben gezeigt werden. angefangen bei seinem mannshohen „A“, das in der ecke eines raumes diesen völlig beherscht und eine gut kalkulierte Mischung von raumbestandteil und morphologischem objekt darstellt, bis zu dem variantenreichen umgang mit bündeln von dinghaften buchstaben, die sich durch die landschaft tragen lassen – der künstler im kampf gegen wind und buchstaben – , wandelt bauer sprachmaterial zu architektur und demonstrationsmaterial.

Bauer convincingly uses the lettristic side of concrete Poetry to bring About the conversation of a well-known phenomenom. This can be shown in the monumentalisation of particular letters. Beginning with a manisized letter „A“, placed in the corner of a room and dominating it completely which demonstrates a well calculated mixture of room constituent and morphological object, up to the richly varied operations with bunches of real-object letters, that let themselves be carried through the landscape while the artist battles against wind and letters, Bauer transforms language material into architecture and demonstration material.

textquelle (auszug):     josef bauer    zeile für zeile – line by line

herausgeber: heimrad bäcker – edition neue texte

lektorat:         friedrich achleitner – elfriede czurda – reinhard prießnitz – gerhard rühm

vorwort:         eugen gomringer 

übersetzung: maria guttenbrunner

druck:             grafischer betrieb ernst denkmayr –  1977 – ISBN  3-900292-03-5

die letzten exemplare (1977) sind unsigniert, von JB signiert sowie von JB und EG signiert,  in der galerie wuensch aircube verfügbar.

12/74 neue texte, herausgegeben von heimrad bäcker, stockwiesen 13, A 4020 linz, druck: buchdruckerei ottensheim, linzerstrasse 11, A 4100 Ottensheim

diese ausgabe wird unsigniert  und signiert von EG, von  der galerie wuensch aircube angeboten.  



fotos|galerie wuensch aircube