CHAOS
ANNA WÜNSCH
Sonettenfolge,
geschrieben acht Jahre vor Tschernobyl,
nach der Lektüre von GÜNTHER SCHWAB´S Buch „DER TANZ MIT DEM TEUFEL“
Von Pseudowerten wird die Welt regiert,
ins Gegenteil verkehren sich die Zeichen,
der Geistesadel muß dem Rohen weichen.
Der Weise schweigt. Verblendung triumphiert.
Vertrieben längst ist jede Harmonie,
die Narren jagen nur nach toten Dingen.
Wer möchte noch nach Edlem, Gutem ringen?
Was wertvoll, bleibt verschmäht vom Herdenvieh.
Die stillen Inseln, paradiesisch-schön,
erquickten köstlich Seele und Genie
eh´sie entweiht Getümmel und Gedröhn.
Entsetzt vom Treiben derber Henkersbrut
erhebt sich nun ins Reich der Phantasie
die Würde, einst des Menschen höchstes Gut.
Die Würde, einst des Menschen höchstes Gut,
entzieht sich stolz dem Blick der Ungeheuer,
doch ewig brennt ihr überirdisch Feuer,
weil es sich nährt von heil´ger Flammenglut.
Barbaren hassen diesen Götterstrahl,
der gnadenlos beleuchtet ihre Taten:
wo immer sie das Menschentum verraten,
ist es die Lust an Grausamkeit und Qual.
Wenn Schergenfaust geschundnen Nacken beugt,
errettet aus Erniedrigung nur Würde,
die huldreich-tröstend, sanft nach oben zeigt.
Wie ehrfurchtslos ist doch das wilde Blut!
Der Ahnen vielgerühmte, hehrste Zierde
verkauft der Mob in frechem Übermut.
…….
Daß solch ein Wahnsinn sich im Hirne regt
ist das der Fortschritt? — Kreatur erschaudert,
der Geist der Schrecken in Erstarrung zaudert,
bis er Verfluchte von der Bühne fegt.
O stolzer Mensch, der sich im Raum verlor!
Die Erde unter deinen Füßen bebt —
Das Chaos hebt sein dräuend Haupt empor.
Gibt es noch Rettung für die Not der Welt?
Es darf nicht sein, daß nur das Grauen lebt
und alles, was Gott schuf, zu Staub zerfällt!
St.Georgs Presse 1988, gedruckt und gebunden von Ottmar Premstaller, Auflage 200 Stück.
Die künstlerischen Arbeiten „CHAOS“ entstanden in Santiago de Cuba, 1998, als Serie von 14 Arbeiten des Künstlers Jose Seoane Hernandez, 70x 50cm, Papier/Mixedmedia.
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