PROFILE
Text und Sprache – in manchen Fällen auch Zahlen bzw. Ziffern – sind der Ausgangspunkt für die konzeptuellen Arbeiten von Ulrich Nausner, wobei die Idee immer wichtiger ist, als das daraus resultierende Kunstobjekt. In der zweiten Ausstellung des österreichischen Künstlers mit der galerie wuensch aircube sind Profile die Klammer, die vier verschiedene Werkgruppen verbindet. In den Arbeiten ist digitale Information das künstlerische Material, oder aber die Identität oder Herkunft der verwendeten Materialien ist ein wesentlicher Aspekt. Referenzen zu Konkreter Kunst, Konstruktivistischer Kunst, Minimalismus, Konkreter Poesie oder sogar Farbfeldmalerei werden mit zeitgenössischen Inhalten und/oder Materialien aufgefüllt, ergänzt und in neue Formen übertragen. In allen Werken sind die Inhalte einerseits abwesend – aber auch gleichzeitig vorhanden oder in einer mehr oder weniger abstrahierten Erscheinung buchstäblich enthalten.
Die Ausstellung „Profile“ ist in zwei Kapitel aufgeteilt. Im oberen Raum befindet sich ein zentrales Wandobjekt aus der Serie der „Memory Objects (black)“. Mattschwarze sogenannte „Blindpaneele“ sind auf standardisierten Serverschrank Stangen (Server-Profilen), wie man diese in den riesigen Datenzentren von Google oder Amazon finden kann, montiert. Jene „Leerstelle“, die man an unbenützten Einheiten in der Anordnung der technischen Geräte abdecken würde, wird hier zum formgebenden Element. Dies stellt einen Kommentar zu Erinnerung und Vergessen im digitalen Zeitalter dar
Die fortlaufenden Serie der „Hypertext Drawings“ bildet mit acht 4-teiligen Variationen den zweiten „Block“ der aktuellen Ausstellung. Jener im Werkuntertitel beschriebene Ausgangsbegriff (z.B. „combination“ oder „constellation“) bildet die Grundlage für eine Online Suche nach Volltexten. Da die Suchmaschine immer nur Ergebnisse nach dem jeweiligen Suchprofil der Nutzer*innen angibt, entsteht inhaltlich ein spezifischer, personalisierter Blick auf die Welt dieses Begriffs und seiner Verwendung je nach den unterschiedlichsten Kontexten (z.B. Biologie, Wirtschaft, Recht, Philosophie, künstlerische Praxis, usw.), welche in jeweils vier Beispielen auf einem kleinen Blatt gegenübergestellt werden. Die mit freiem Auge unlesbaren Textlinien erscheinen wie eine filigrane Zeichnung, obwohl die Texte eigentlich tatsächlich zu Papier gebracht sind. So spielt die Arbeit mit medialem und inhaltlichem Kontext und dekonstruiert die „Definitionsmacht“ sprachlicher Benennungen.
Im unteren Raum der Galerie zeigt Nausner zwei neue Werkgruppen. Die Arbeiten aus der Serie „Color Fields“: „Untitled (cookie consent)“ – nach der jeweiligen Farbe benannt – bestehen aus monochromen Farbflächen. Der Text und die Texthintergrundfarben von Cookie-Warnungen verschiedener Websites, der weltweit größten börsennotierten Unternehmen, wurden eins zu eins kopiert. Einzig durch das gewählte Bildformat und den künstlich stark erhöhten Abstand zwischen den Zeilen, ergibt sich jeweils eine simple geometrische Form (die Form und die Farbe werden buchstäblich aus dem Inhalt gewonnen). Anschließend werden die wenigen Textelemente, durch die Einfärbung in der jeweiligen Hintergrundfarbe, visuell zum Verschwinden gebracht. Die Einfachheit der künstlerischen Geste kollidiert mit der Komplexität der inhaltlichen Ebene. Nur wenige Zeilen unsichtbarer Text rastern das Bildformat in der Horizontale und die gedeckten Farben der Flächen entsprechen der ursprünglichen Funktion der kopierten, spezifischen Information – sich potentiell eher im Hintergrund zu halten. Das Konzept dieser Farbfelder geht unter anderem der Frage nach, ob und wie entscheidend es für eine Gesellschaft ist wieviel Raum eine Information bekommt.
Die zweite neue Serie „Untitled (Number Cake)“ besteht aus vier industriellen „Ready Mades“. Modulare Backformen aus Aluminium – sogenannte „Number Cake Formen“ zum Backen von Zahlen für Geburts- und Jahrestage, bieten eine riesige Anzahl an unterschiedlichen Möglichkeiten durch die freie Platzierung der Quadrate in der Form. Dieses Produkt wurde dem Künstler von der zielgerichteten (User-Profil) Online Werbung unzählige Male angeboten, obwohl er noch nie im Leben gebacken hat oder gar etwas Ähnliches gesucht hat. Vermutlich hat dies aber mit der umfassenden Recherche über „Cookies“ bzgl. der Color Field Serie, sowie der Vorliebe für Minimalismus (Donald Judd – „aluminium box sculptures“) zu tun. Im Mittelpunkt steht der Gedanke mit Kunstwerken Zahlen „backen“ zu können – auch im ökonomischen Sinne (Kunstmarkt/Galerie), ein Massenprodukt aus China wird durch die spezifische Anordnung der Elemente zum seriellen Kunstwerk.
Textquelle: ULRICH NAUSNER – expo galerie wuensch aircube 2023|12 – 2024|03
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.